Zusammen mit dem Parlamentskreis Mittelstand Europe (PKM Europe) richtete der Auslandsverband der Mittelstands- und Wirtschaftsunion in Belgien (MIT Belgien) am 17. November 2020 eine Videokonferenz mit dem Titel „Nachhaltige Unternehmensführung: Eine Mittelstandsperspektive auf das geplante EU-Lieferkettengesetz“ aus. Die große Resonanz zeigte, dass das Thema „Sorgfaltspflichten und Haftung für Unternehmen“ entlang der gesamten Wertschöpfungskette herausragende Bedeutung für die deutsche Wirtschaft und den Mittelstand hat. Mehr als 70 Gäste, darunter mehrere Abgeordnete des Europäischen Parlaments sowie viele Vertreter der in Brüssel vertretenen deutschen Wirtschaftsverbände, nahmen an der virtuellen Veranstaltung teil.
Dr. Markus Pieper (MdEP), Ko-Vorsitzender des PKM Europe, meinte einleitend: „Die Idee der Europäischen Kommission eine Richtlinie zu Lieferketten zu erlassen, kommt insbesondere aus Deutschland und wurde nicht in Brüssel geboren. In Deutschland wird seit 2018 über ein Lieferkettengesetz diskutiert. Wir dürfen in Deutschland und Europa keine weitere Nabelschau betreiben. Denn aktuell verschieben sich weltweit die Handelsgewichte. China setzt vermehrt Standards in den Bereichen Industrie und Handel. Und wir in Europa wollen Umweltpolizei spielen. Alle Verbände der deutschen Wirtschaft sollten sich unbedingt an der bis Februar 2021 laufenden Konsultation der EU-Kommission beteiligen und ihren Standpunkt klarmachen.“
Markus Ferber (MdEP), Ko-Vorsitzender des PKM Europe, wies auf den großen Anwendungsbereich der geplanten EU-Regelungen hin, die auch Auswirkungen auf die Finanzwirtschaft haben: „Alle Finanzinstrumente werden von den neuen Regeln erfasst, auch die Kreditvergabe für mittelständische Unternehmen. Aber wer kann denn die Nachhaltigkeit von Krediten beurteilen? Wenn wir über die Finanzpolitik so stark in den Finanzmarkt eingreifen, um Geldströme und Investitionen zweckgebunden nach politischen Nachhaltigkeitszielen zu lenken, erhöhen wir die Risiken für Blasenbildungen. Damit gefährden wir mittelfristig die Stabilität des gesamten Finanzmarkts.“
Bastian Biermann, Geschäftsführer der MIT Belgien, moderierte die weiteren Redebeiträge und leitete die anschließende Diskussion. Die Vertreterin der EU-Kommission, Frau Dr. Susanne Knöfel, stellte klar, dass die Kommission auf jeden Fall eine gesetzliche Regelung anstrebt, dabei aber die Interessen des Mittelstands berücksichtigen wolle. Der Europaabgeordnete Axel Voss berichtete über den Stand der Verhandlungen im Europäischen Parlament. Eine Mehrheit der Abgeordneten sei beseelt von der Idee die Welt zu verbessern, ohne praktikable und umsetzbare Vorschläge für eine Regelung zu machen. In der Diskussion zeigte sich, dass viele Branchen direkt von einer Verschärfung der Haftungsregeln und Sorgfaltspflichten betroffen wären und mit Sorgen auf die weitere Entwicklung blicken.
Zusammenfassend stellte der Vorsitzende der MIT Belgien, Dr. Stefan Brost, fest: „Eine EU-Richtlinie zu verschärften Sorgfalts- und Rechenschaftspflichten von Unternehmen erhöht die Rechtsunsicherheit gerade kleiner und mittlerer Unternehmen, wenn sie für das Verhalten all ihrer Zulieferer verantwortlich gemacht werden sollen. Das Maß an zusätzlichen Berichtspflichten und Bürokratie ist für den Mittelstand kaum zu bewältigen und unzumutbar. Ein Lieferkettengesetz auf EU-Ebene gefährdet die Versorgungssicherheit Europas und schwächt die Wettbewerbsfähigkeit deutscher und europäischer Unternehmen im internationalen Kontext.“
Die MIT Belgien plant in den kommenden Monaten weitere Veranstaltungen zu aktuellen EU-Themen. Gerade beim Thema Lieferkettengesetz möchte der Auslandsverband das weitere Verfahren in Brüssel eng begleiten und den regelmäßigen Austausch mit den EU-Vertretern der deutschen Wirtschaft pflegen.
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